Spandauer Volksblatt

Kultur Donnerstag, 14. Juni 1990 (Seite 7)

"Zobels Tochter", ein Stück des Off-Boulevards, im Intimen Theater uraufgeführt

Typen im stellenweise witzigen Patchwork

Männer-WGs sind in. Gerade hat uns Gabriel Barylli die Macken und Malaisen gebeutelter Männerseelen aufs Butterbrot geschmiert, da zieht der Off-Boulevard nach. "Zobels Tochter" von Jens Johler ist ein stellenweise witziges Patchwork aus Spät-Achtundsechziger-Komödie mit Märchenzitaten und wortgewitterndem Intellektuellen-Boulevard, recht temporeich inszeniert von Georg Tryphon (Bühnenbild: Martin Kraemer). Drei Mann auf einem Pferd, das die Reiter in den Graben schmeißt. Aber sie fallen weich.

Zobel, Hansen und Ritter sind akademische Fossilien um die 40, die auf den eigenen Lebensvorstellungen bestehen, ob die nun erfolgskonform sind oder nicht. Hansen hat den Schuldienst quittiert, um an seinem ewig unvollendeten Roman zu basteln, Zobel hat ein Diplom in Soziologie und ein Taxi, und Ritter - "der mit der Rüstung" - pflegt seine Mesalliance mit einer widerborstigen Doktorarbeit.

Weit und breit keine Frau und offenbar keine Probleme damit. Bis Franziska auftaucht, frisch immatrikuliert, unverbogen und seit 18 Jahren Zobels Tochter. Da schmelzen die Uni-Veteranen dahin und kriegen endlich den alles verändernden Motivationskick.

Zobel übernimmt einen Buchladen und geht mit der ehemals Angetrauten in die Provinz und Hansen in Klausur, um das literarische Erstlingswerk endlich fertigzukriegen. Auch der Schreibtischkämpfer Ritter bleibt nicht verschont von der herzerwärmenden Begabtenförderung: Zwei Szenen und ein paar Wochen weiter wiegt er hingerissen eine dickleibige Dissertationsschwarte im Arm. Und alle wollen natürlich stante pede mit der Schönen vom Land vor den Traualtar, außer Zobel natürlich.

Irgendwelche anderen mehr oder weniger frommen Wünsche liegen völlig fern. Schließlich hat der akut verliebte Hansen nach dem Heiratsantrag erst mal die Kurve in die Literateneinsamkeit gekratzt und der ritterliche Doktorand sechs Wochen mit der Angebeteten allein verbracht, ohne seiner launischen Wissenschaftsgeliebten untreu zu werden.

Friede, Freude, aber der Eierkuchen nach Omas Rezept ist zu hausbacken. Der Kinofan Hansen hält es ohne Nachtvorstellung in Kleinsowieso nicht aus und hat überhaupt was gegen Klappentexte, und Hansen und Ritter sind trotz fertiger geistiger Morgengabe Neese. Die Prinzessin liebt einen anderen. Aber das verschmerzen sie leicht, als Fata Morgana taugt die selbstbewußte junge Dame allemal. Der nächste Roman, die Habilitationsschrift, dieselbe Schwärmerei. Und fürs übrige Wohl sorgt hoffentlich demnächst eine Kontaktanzeige im Stadtmagazin.

Das hat ein paar Brüche, die nicht weiter wehtun, weil Tiefgang nicht angestrebt ist, und das kann man natürlich sympathisch finden. Die graumelierten Intellektuellen reden herrlich sarkastischen Schnickschnack und sind als Typen mehr oder weniger gelungen.

Frank-Otto Schenk ist der abgeklärte Soziologe, dem der gesellschaftswissenschaftliche Durchblick durch die Taxi-Windschutzscheibe nicht die eigene Sicht auf Großstadtlust und -leben verstellt hat. Elmar Gutmann ist ein alerter Aussteiger zwischen Zweifel und Großmäuligkeit, und Andreas Bißmeier schießt als salbadernder Theoriefreak den Vogel ab in der Publikumsgunst. Lieb, doof und gelehrt flötet er substanzlose Menschheitserlösungsformeln in die Männerunde, und die Scheuklappenverliebtheit in die eigene geistige Potenz erinnert so manchen ironisch an die Nöte solch wissenschaftlicher Roßkuren. Die verständnisinnigen Lacher zeugen davon.

Ein bißchen anachronistisch wirkt die Gluckenmutter, die dem flüggen Küken besorgt in die Sünden-Metropole nacheilt (elegant und kühl: Ana Forell); und der robuste Charme von Thordis König kann die umwerfende Wirkung auf die Herren Sonderling nicht ganz glaubhaft machen.

Lebhafter Beifall nach recht vergnüglichem Amüsement.

Susanne Heyden

Intimes Theater, Oranienstraße 162, 1000 Berlin 61, Di bis Sa 20 Uhr.

Zurück