Berliner Morgenpost

Feuilleton, Dienstag 11.Juni 1991

Bei der Goldenen Hochzeit müssen Katastrophen gemanagt werden

Joachim Kerzel inszenierte das Stück "Jetzt oder nie" im Hansa-Theater

Die Szene strahlt gutbürgerliches Behagen aus. Zwischen Chippendale und Club-Garnitur bereitet die Familie in dem Stück "Jetzt oder nie" im Hansa-Theater die Goldene Hochzeit der Eltern vor: Der Vater, ein rüstiger Unternehmer, wähnt sich im Vollbesitz seiner Kräfte und übersieht dabei den Niedergang der Firma. Die Mutter, gerade eben 68, ist wie verjüngt von einem Badeaufenthalt zurückgekehrt. Doch der Schein trügt. Die Kinder, Sohn und Tochter, haben allein den realistischen Durchblick. Denn es knistert im Gebälk.

Eine Pleite droht, und der Junior drängt auf Sanierung durch eine Fusion mit einem mächtigen Konzern. Insofern scheint der Generationskonflikt programmiert. Denn der Alte, kauzig, starrsinnig und selbstherrlich, will nicht abtreten und sogar den geschäftsführenden Sohn entlassen. Erst im zweiten Akt darf das Publikum seinen erhofften Spaß haben, denn nun erscheint urplötzlich Mutters Kurschatten am Vorabend des Famililenfestes. Sie gesteht, ihr leidiges Ehesoll erfüllt zu haben und läßt sich von dem formvollendeten Kavalier alter Schule nicht nur den Hof machen, sondern plant mit ihm sogar den gemeinsamen späten Ausstieg. Doch rollt das Spielchen keineswegs wie zu erwarten ab.

Den polternden Gatten bringt ein Herzanfall zur Raison, der Sohn kommt zu seinem Recht, und das schicke Töchterlein versucht, zerbrochenes Porzellan zu kitten. Mit einem Schuß Resignation und allzu bemühter Altersweisheit steuert alles dem halbguten Ende zu.

Die Regie Joachim Kerzels dämpft die gelegentlich aufkommende Possenkomik, etwa wenn der Goldene Hochzeiter (Christoph Engel) deftig raunzt und lästert. Im Kontrast zu ihm gibt sich der alte Gentleman (Friedrich Schoenfelder) betont leise und gelassen. Die Jungen - ihrer Rollen entsprechend nicht mehr allzu junger Leute - geben der Komödie, wenn sie manchmal ins leicht Rührsame gleitet, den nötigen Schwung: Yvonne Brüning und Klaus Rumpf spielen sie.

Erklärter Liebling der Familie auf der Bühne und des Publikums im Parkett ist Helga Göring, deren charmante Damenreife der ihr aufgebürdeten Goldenen Hochzeit spottet. Langer Applaus für alle.

Auch der Regisseur Joachim Kerzel und der Bühnenbildner Klaus-Ulrich Jacob dürfen sich freudestrahlend zeigen. Nicht zu vergessen: Der Autor des insgesamt recht vergnüglichen Stückes ist Jens Johler.

Arnold Bauer

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